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Zur Historie von Experimental- / Amateurfunk in Wismar und der Ingenieur-Akademie

Dr.-Ing. Kurt Heinrich - Dozent, Freimaurer und Funkamateur

Dr.-Ing. Kurt Heinrich - städtischer Baurat, ET-Dozent und Akademiedirektor ... und der erste Funkamateur im Bereich des heutigen Mecklenburg-Vorpommern

Dr.-Ing. Kurt Heinrich, Dozent und Leiter der Abteilung Elektrotechnik und des "Elektrotechnischen Instituts" sowie Laborleiter des ET-Labors im Laboratorium am Baumweg der Ingenieur-Akademie Wismar von 1922-1935. Vertretungsweise fungierte Heinrich auch als Direktor der Akademie und war Mitglied der Freimaurer.

* am 7. Januar 1893 in Kirchberg/ bei Zwickau/ Sachsen; ev./Freimaurer;  † unbekannt

2020: Heinrich in der "Hall of Fame" sächsischer Persönlichkeiten aufgenommen!

 Heinrich ist seit 2020 in die "Hall of Fame" sächsischer Persönlichkeiten aufgenommen. 

Absolvent der Königlich Sächsischen Technischen Hochschule Dresden

Im Alter 24 Jahren hatte er im November 1917 an der Königlich Sächsischen Technischen Hochschule Dresden seine Diplomprüfung mit „Gut“ absolviert und war seitdem als Prüffeldingenieur in der   Fa. Pöge  in Chemnitz tätig, aus der er als Oberingenieur 1922 nach Wismar wechselte. 

 Heinrichs Abschlussbeurteilung vom 31.12.1921 der Fa. Pöge 

mehr zur Firma Pöge AG

PÖGE Elektrizitäts-Aktiengesellschaft

Promotion an der TH Dresden 1925

Am 3. Januar 1925 bat der noch Dipl.-Ing. Heinrich um Verlängerung seiner Weihnachtsferien, die er in seiner Heimat in Chemnitz verbrachte. Heinrich hatte wohl kurzfristig den Termin seiner Promotionsprüfung in der Zeit vom 10. bis 13. Januar 1925 in Dresden erhalten. So musste er kurzfristig seine Vorlesungen zur "Hochspannungstechnik" verschieben.

 Der 1925 aktualisierte Anstellungsvertrag:  

1922 Bewerbung an Wismarer Ingenieur-Akademie

 Heinrichs Bewerbungsschreiben

Heinrichs Unterrichtsfächer und Aufgaben

Stand Anfang 1924:

  • Drahtlose Telegraphie und Telephonie
  • Asynchronmaschinen
  • Elektrische Messkunde
  • Hochspannungstechnik
  • Theorie des Wechselstroms
  • Umformer und Gleichrichter... und die 
  • Leitung aller "praktischen Übungen im Elektrotechnischen Laboratorium".

siehe dazu auch in den Originaldokumenten:

 Zwischenzeugnis für Dipl.-Ing. Heinrich vom 6. Mai 1924

Sachverständiger für Elektrotechnik

Bereits am 31. November 1922 beantragt Heinrich die Zulassung auf Nebentätigkeit als Sachverständiger. Anhand von Beispielrechnungen versuchte Heinrich auch die Vorteile für die Akademie hervorzukehren. (mehr dazu/ Rechnung)

 

...übrigens

1933 wird den Dozenten eine bezahlte Nebentätigkeit untersagt werden!

 

Arbeit in Gremien das Radio-, Funk- und Amateurfunkwesens

Nach einer offiziellen Empfangsgenehmigung für sein Elektrotechnisches Institut 1922 wurde im Mai 1924 im Laboratorium der Ingenieur-Akademie mit dem Funksendebetrieb begonnen. Kurt Heinrich verfügte als einer der ersten in Deutschland über eine Versuchsfunk-Sendegenehmigung mit einem auf ihn personalisierte Rufzeichen "Q1". Als sich nun die ersten bereits in Deutschland bestehenden Funk- und Radiovereine am 24. Januar 1924 zum Deutschen Funk-Kartell zusammenschlossen, gründete Heinrich am 10. Juni 1924 in Wismar den Funkverein Wismar e.V. (zum Zweck/Satzung). Damit engagierte er sich auch im Bereich der Verbreitung und Entwicklung des deutschen Funk- und Radiowesens, um die durch Staat und Reichspost stark reglementierte private Nutzung von Empfangsanlagen und das lange Verbot privater Sendegenehmigungen zu durchbrechen.  Mit Erfüllung der Mission des Deutschen Funk-Kartells gründete sich bereits ein Jahr später, am 28. Juli 1925, der Deutsche Funktechnische Verband DFTV, wo Heinrich als Akademievertreter mit seinem Verein Mitglied wurde.

Im Mai 1924 wurde im Laboratorium der Ingenieur-Akademie mit dem Funksendebetrieb begonnen. Das erste Rufzeichen, personalisiert auf Heinrich, war "Q1". Damit gehörte Dr. Heinrich zu den allerersten Genehmigungsinhabern einer Sendelizenz in Deutschland. (mehr dazu)

Aus diesem Funkkartell gründete sich bereits ein Jahr später am 28. Juli 1925 der Deutsche Funktechnische Verband DFTV, wo Heinrich sich auch als Akademievertreter einbrachte. Zum 1. September 1925 stellte die Deutsche Reichspost die Ausstellung der Audion-Versuchserlaubnisse ein und damit wurde der Bau von Empfängern genehmigungsfrei.

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Funktechnischer_Verband

Zum DFTV gehörten Ende 1925 320 lokale Radiovereine mit rund 50.000 Mitgliedern. und zu den nur etwa 50 Sendeamateuren, die ihre Lizenz über den DFTV erhielten.

Mehr zum weiten Weg des Amateurfunk(s) in Deutschland von Steffen Hamperl, DM6WAN. (aktuell nicht online, da in Überarbeitung)

https://dewiki.de/Lexikon/Geschichte_der_Amateurfunkrufzeichen_in_Deutschland#EK-Rufzeichen

zur Radiotheorie/ u.a. von Brecht https://de.wikipedia.org/wiki/Radiotheorie /

Brecht's Radioexperiment / Kurt Weill, Bertolt Brecht: Der Lindberghflug - Ozeanflug

 

Wismar 1924 Mitglied im Deutschen Funk-Kartell

Kurt Heinrich gehörte mit dem von ihm am 10. Juni 1924 gegründeten Funkverein Wismar e.V. zu einem der frühen Vereine des Deutschen Funk-Kartells 1924! (zur vollständigen Auflistung; dieses Recherche-Dokument wurde im August 2022 auch von der Doku Funk in Wien übernommen)

   

  (Quelle: Der Radio-Amateur (Radio-Telephonie) von Dr. Eugen Nesper, 6. Auflage, 1925, S. 28)

Mit Verfügung Nr. 273 vom 14. Mai 1924 wurden Versuchsgenehmigungen der Deutschen Reichspost für wissenschaftliche Institute, Fachunternehmen und einige Privatpersonen ausgereicht; darunter technische Reichspost-Beamte. 

Im Mai 1924 wurde im Laboratorium der Ingenieur-Akademie mit dem Funksendebetrieb begonnen. Das erste Rufzeichen war "Q1"(sog. Anrufzeichen). Ab 1. September 1925 nach IARU-Empfehlung dann mit Landeskenner vorangestellt – für Deutschland „K“. Aus Q1 wurde KQ1.

1925 kündigte Dr.-Ing. Heinrich im "Funkbastler" (das war keine einfache "Bastelzeitung", sondern das Fachblatt des Deutschen Funktechnischen Verbandes e.V.) neue Sendeversuche an. Das ist aktuell der früheste Beleg für in Wismar praktisch betriebenen Funk-Sendebetrieb:

Quelle: via DokuFunk-Archiv Wien/ im Original: "Funkbastler", 1925, Heft 36, S. 444

Bereits 1929 zur 4. Funkausstellung in Wismar sind mehrere Sender auf verschiedenen Wellenlängen in Betrieb und man verfügt über bis zu 500 Watt Sendeleistung. (mehr...)

HINWEIS: Die ET-Historie und die Originaldokumente werden noch immer ergänzt! 

Ingénieur Jacques Mousset

Französischer Funkpartner Heinrichs 1928... Und "natürlich" hat Heinrich die Funkbestätigungskarte (QSL) in Französisch geschrieben und sogar per Post zustellen lassen.

Umfassend mehr dazu (auch zum Karteninhalt) unter http://www.dl2swr.afu-wismar.de/media/files/experimentalfunkstelle_wismar.pdf (insbesondere die Seiten 19-24)

Manfred von Ardenne, Abraham Robert Esau und Carl Wilhelm Bangert

Manfred Baron von Ardenne und die Professoren Abraham Robert Esau (EK4AAL) und Carl Wilhelm Bangert waren nicht nur wichtige Zeitgenossen Heinrichs und ebenfalls Pioniere der Funk- und Radiotechnik, sondern auch teilweise Heinrichs unmittelbare Mitstreiter in wissenschaftlicher Zusammenarbeit.

Das „Technisch-Physikalische Institut“ (Prof. Dr. Esau) am Helmholzweg 6 in Jena (eK4AAL) verwendete im September 1927 die 6cm kleinere RS 17; diese dafür 2-mal. (mehr dazu)

Interessant auch eine Funkkarte (QSL) der Station D4AAV (vormals EK4AAV) der Abteilung Hochfrequenz des Polytechnikums Friedberg/Hessen (heute TH Mittelhessen Campus Friedberg), eine von Wismars Akademiegründer Robert Schmidt bereits 1901 gegründete Einrichtung. Den Amateurfunk gibt es dort an der nun TH Mittelhessen noch heute!

 

Heinrichs Kontakte zur Berliner Industrie

Heinrich nutzte Sitzungen des (Deutschen) Funktechnischen Verbands (D.F.T.V.) in Berlin, um bei den Industrievertretern für die Wismarer Ingenieur-Akademie zu werben. (hier Heinrichs Bericht an die Akademie-Leitung 1929)

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

Dr.-Ing Kurt Heinrich veröffentlichte in den Jahren 1927-1931 mehrere  Artikel  in der "Elektrotechnische(n) Zeitschrift", dem Zentralblatt Elektrotechnik/ Organ der VDE.

"Über die Ursache des Elektrisierens bei Berührung nicht geerdeter in Betrieb befindlicher Wechselstrommotoren" Januar 1927 (PDF/ 1,9 MB)

„Über die laboratoriumstechnische Ausbildung von Elektroingenieuren an höheren Technischen Lehranstalten“ Mai 1927 (PDF/ 1,2 MB)

"Der selbsttätige magnetische Hammerkontaktregler zur Spannungsreglung in elektrischen Fahrzeugbeleuchtungsanlagen" September 1927

"Störungen von Rundfunkempfang durch Quecksilberdampf-Gleichrichter" Heft 35 1928 (PDF/ 1,1 MB)

"Über die Beeinflussung des menschlichen Organismus beim Arbeiten am Kurzwellensender" Juli 1929 (PDF/ 1.5 MB)

"Über neue Erscheinungen im Kondensatorfelde sehr schnell schwingender Stromkreise" Nov. 1929 (PDF/ 2,2 MB)

 "Messen kurzer Wellenlängen von Röhrengeneratoren nach System Lecher"   in "CQ" Mai 1930 (PDF/ 1.3MB)

"Über eine Möglichkeit, Rundfunkstörungen zu unterdrücken, die durch elektrische Schaltwerke entstehen" Oktober 1931 (PDF/ 1.1 MB)

 

Heinrichs erstes Fachbuch erscheint

Im Frühsommer 1930 erscheint in Leipzig Heinrichs Fachbuch "Die theoretischen Grundlagen der Wechselstrommaschinen".

   

Am 22. Juni 1930 überreichte Dr. Heinrich mit einer Widmung sein Buch der Akademie-Bücherei. Und dieses Buch konnte bei den Recherchen 2018 im Bestand der Bibliothek der Hochschule Wismar wiedergefunden werden!

Eine  Buchrezension  findet sich in der Elektrotechnischen Zeitschrift. Im Heft 53, auf der Seite 1611 fand ein Herr Liwschitz ein paar kritische Anmerkungen.

Heinrichs Patente

1921/1923: "Einrichtung zur Schnellreglung elektrischer Maschinen"

1931: In der „Elektrotechnischen Zeitschrift“, im Heft 44 von 1931, auf den Seiten 1358/1359 veröffentlichte seinen letzten Artikel, bevor er entlassen wird. Es ging um "Die Möglichkeit, Rundfunkstörungen zu unterdrücken, die durch elektrische Schaltwerke entstehen." Heinrich untersucht den unterschiedlichen Einsatz von Halbwattlampen zu diesem Zweck. Der Artikel endet mit Heinrichs Bemerkung: "... Die Anmeldung zum Patent ist erfolgt."

Heinrichs Strahlenforschung

In verschieden Dokumenten und Zusammenhängen wird immer wieder auf die Leistungen Heinrichs in der "Strahlenforschung" verwiesen. Dabei handelt es sich um Experimente im Zusammenhang mit dem Planckschen Strahlungsgesetz. Heinrich betrieb seine sog. Schwarzstrahlen-Forschung im UKW-Bereich, wie seine Bemerkung in der Gerichtsakte von 1932 bzw. das Arbeitszeugnis von 1934 belegt:

      

Ergänzend dazu siehe auch "Schwarze Körper"(1). Der in Gera geborene Physiker Otto Lummer(2) arbeitete mit dem Emil Liebenthal zusammen. Dieser war der Onkel (!) von Heinrichs Techniker, dem Wismarer Ingenieur Emil Liebenthal . Dieser forschte an der Schwarzkörperstrahlung und stellte den ersten Schwarzkörper her. Der Versuch, die Schwarzkörperstrahlung theoretisch zu beschreiben, wird als Geburtsstunde der Quantenphysik bezeichnet.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzer_Körper   [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lummer

Der Versuch, die Schwarzkörperstrahlung theoretisch zu beschreiben, hat wesentlich zur Geburt der Quantenphysik beigetragen.

Mit Prüfungskommissar Flörke in Wismars Kaffee Eichholz

Im traditionsreichen Café Hegede am Markt Wismars, damals das "Kaffee Eichholz", nahm am 9. April 1926 ein Ärgernis für Heinrich mal wieder Gestalt an. An diesem Tage war aus Schwerin der Prüfungskommmissar Oberbaurat Flörke angereist. Es stand die erneute Abnahme von Zeichnungen, die zur Hauptprüfung zurückgewiesen worden waren, auf dem Plan. Direktor Michenfelder, durch Krankheit abwesend, hatte den Maschinenbauer Dr.-Ing. Wei?ker mit der Vertretung beauftragt.

Zugegen waren weitere Dozenten vom Maschinenbau wie auch Dr.-Ing. Kurt Heinrich und DI Dunckler von der ET. Kommissar Flörke versuchte im teils halboffiziellen Gespräch mit den Dozenten Probleme und deren Ursachen zu erörtern. Eine unterschiedliche Problembewertung durch die Dozenten selbst führte bereits zu ersten Dissonanzen, insbesondere zwischen der Elektro-Abt. und den beiden Bau-Abteilungen.

Im Anschluss ergab sich durch Zufall(?) noch ein privates Aufeinandertreffen im Kaffee Eichholz am Markt. Kommissar Flörke überbrückte hier die Zeit bis zur Abfahrt seines Zuges zurück nach Schwerin und setzte sich an den Tisch von Weisker, Heinrich und Dunckler. Da besagte Herren sich dann noch verpflichtet sahen, den Kommissar zum Zug zu begleiten, waren gemutmaßten Äußerungen Tür und Tor geöffnet.

Als im Ergebnis des Besuches von Schwerin diverse Reaktionen erfolgten, fühlte "man" sich bestätigt und sah in Heinrich einen Nestbeschmutzer. Der Rat reagierte und forderte Stellungnahmen an; u.a. vom Dozenten Oberingenieur M. Schneider???  und von Dr.-Ing. Kurt Heinrich.

Die fristlose Entlassung 1931

Heinrich hatte in Wismar nicht nur Freunde. Sein breites Engagement traf nicht nur Befürwortung, sondern aktivierte auch Neider und Gegner. Dies übersehend oder ignorierend führte zu einer für ihn plötzlichen fristlosen Kündigung am 26. September 1931. Der Entlassung vorangegangen...

... war z.B. im Juni 1931 eine Meldung des Direktors Weingarten an das Kuratorium über einen Stundenausfall Heinrichs am Freitag, dem 29. Mai 1931. (mehr dazu)

In einer Klage Heinrichs vor dem Arbeitsgericht Wismar wurde am 29. Januar 1932 in erster Instanz die Fristlosigkeit der Kündigung als unzulässig abgewiesen, aber formell die Zulässigkeit des Aussprechens einer ordentlichen Kündigung zum 31. März 1932 zuerkannt. (zur Urteilsschrift)

Die Verweigerung der vom Arbeitsgericht angeordneten Gehaltsnachzahlung durch die Stadt führte zur „Bilderpfändung“ im Rathaus.

 

 

Die Anklagepunkte auf Seite 3 obiger Urteilsschrift

Anklagepunkt VI

Um ein Gefühl für die Anschuldigungen zu vermitteln, sei hier beispielhaft die gerichtliche Bewertung am Anklagepunkt VI vorgestellt.

Anklage-Punkt VI: "...Betrügerische Handlungen zum Nachteil der Anstalt und damit der Beklagten und Veranlassungen von Assistenten und Studierenden an diesen Handlungen."  (zur Urteilsbegründung zum Anklage-Punkt VI)

Der lange Weg juristischer Auseinandersetzung

Es war jedoch erst der Anfang eines langen Weges juristischer Auseinandersetzungen über alle Instanzen zwischen Heinrich und der Stadt. Obwohl bereits im Januar 1933 die Anwälte der Stadt die Stadtoberen auf die Aussichtslosigkeit hinwiesen und einen Vergleich anregten, kam dieser erst im März 1934 zustande. Nicht zuletzt deshalb, weil mittlerweile die Zeitungen die von ihnen recherchierten ca. 15.000 bis 26.000 RM Prozesskosten exklusive Anwaltskosten für diesen Prozess als massive Steuerverschwendungen anprangerten. Der Vergleich war dann mit einer allerdings nur noch befristeten Wiedereinstellung Heinrichs bis zum 31. März 1935 bei gleichem Gehalt des ursprünglichen Vertrages und der alten Amtsbezeichnung "Städtischer Baurat" verbunden.

Der Allgemeine Studentenausschuß drängt im März 1933 auf Prozessende

Der AStA der Akademie drängt mit Schreiben vom 16. März 1933 an den (noch) kommissarischen Bürgermeister Pleuger auf ein schnelles Ende des langjährigen Prozesses.

 

 

Pfändung im Rathaus Wismar

Skandal im Wismarer Rathaus! Heinrich lässt wertvolle Gemälde pfänden.  Zur ganzen Geschichte...

    Zeitung: Print / Online

(Quelle der Collage: Wismarer Beiträge, Herausgeber Archiv Hansestadt Wismar, Heft 25/2019, Abb. 10, S. 262)

Nach der fristlosen Kündigung klagte Heinrich natürlich gegen seinen kommunalen Arbeitgeber. Bereits vor dem Wismarer Arbeitsgericht konnte er sich zumindest schon mal gegen die Fristlosigkeit der Kündigung erfolgreich wehren. (zum  Urteil des Arbeitsgerichts )

Aufstellung der gepfändeten Gemälde:

Heinrichs Arbeitszeugnis von 1934

Nach der fristlosen Entlassung Heinrichs im Oktober 1931 und den folgenden jahrelangen Prozessen war im Januar 1934 gerichtlich die Erstellung eines Arbeitszeugnisses Heinrichs verfügt worden. Der amtierende nationalsozialistische Direktor Müller hatte einen entsprechenden Entwurf zu liefern. Wenn man die Umstände des Zustandekommens berücksichtigt, ist das Zeugnis bemerkenswert. Man kam nicht umhin, Heinrichs Anerkennung seitens der Studenten, der Industrie wie auch der Landes-Bildungsbehörde hervorzuheben.

gerichtlich eingefordertes Arbeitszeugnis Heinrichs

Nach über zwei Jahren endlich gewonnen und doch verloren

Obwohl Heinrich letztlich durch Vergleich am 14. März 1934 gewann und ihm für den gesamten Zeitraum seit der Entlassung das volle Gehalt nachzuzahlen war, war er letztlich ruiniert.

Heinrichs Anwälte hatten auch die „Fortdauer des Dozentenverhältnisses über den 31. März 1932 hinaus“ einklagen wollten, doch das Gericht hat diesen Teil der Klage als „abgewiesen“ formuliert und Heinrich nun neun Zehntel der Kosten des Rechtsstreits (und nur ein Zehntel die Stadt) zuerkannt. Der Wert des Streitgegenstandes war mit 80 000 RM angesetzt worden, was die Höhe von Heinrichs Anwaltskosten erahnen lässt…

Anwalts- und Prozesskosten gingen in den Nachzahlungen auf. Alles war aufgebraucht. Auch gesundheitlich war Heinrich am Ende. Der Vergleich erzwang zwar eine Wiedereinstellung, aber nur mit Auslaufen des alten (unbefristeten) Arbeitsverhältnisses. So ging es jetzt nur noch um eine befristete Wiedereinstellung. Die hierin verankerten Vertragskonditionen und das Wissen darum, dass Heinrichs Wiedereinstellung die Kündigung von Assistent Ing. Karl Wilke nach sich zog, lässt die Spannungen im Arbeitsumfeld erahnen...

zum neuen Dienstvertrag

Am 7. April 1934 veranlasst Bürgermeister Pleuger die Erstellung dieses letzten Dienstvertrags und den speziellen Konditionen.

letzte Wismarer Anschrift/ Wism. Adressbuch 1934

Wieder angestellt, chancenlos

Degradiert zum einfachen Dozenten. Seine frühere Position hat bereits Dipl.-Ing. Joachim Stein übernommen, so die Industriekontakte und die Experimentalfunkstation.

So dürfte der Umgang mit den früheren und neuen Kollegen recht angespannt gewesen sein. Außerdem konnte er jederzeit zu einfachsten Verwaltungsarbeiten herangezogen werden

Jenseits des normalen Schulbetriebs war Heinrich nur noch einfacher Bittsteller, dem selbst einfache Tages-Dienstreisen nach Hamburg ohne Begründung verwehrt wurden.

Zum Ende der befristeten Tätigkeit musste Heinrich bei seinen deutschlandweiten Bewerbungen erfahren, dass ihm der Ruf als Störenfried, der erfolgreich gegen seinen Arbeitgeber prozessiert hatte, vorauseilte. Manchmal erbat man sich dann noch von der Akademie (!) Auskunft zum Arbeitsprozess, bevor Heinrich immer eine Absage beschieden wurde.

Ein trauriges Ende

Im Februar 1935 wendete sich Heinrichs Vermieterin Maria Mechtilde Scheyer aus München (!) an den Bürgermeister, um zu erfahren, ob sie Heinrichs Mietschulden in Höhe von 400 RM eventuell lieber zeitnah pfänden sollte...

Zwischen Mai 1935 und spätestens Mai 1937 dürfte Heinrich Wismar den Rücken gekehrt haben.
Vier Jahre später, im Februar 1941, überraschte Akademie-Direktor Müller noch ein Brief vom Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) aus Berlin. Dr.-Ing. Kurt Heinrich sei „zur Kriegsmarine als Kriegsbeamter eingezogen worden und soll als Lehrer für Marinenachrichtentechnik beschäftigt werden“. Man bitte „um möglichst umgehende Überlassung… der Personalakten zur Einsichtnahme“. Nach 14 Tagen dortiger Vorlage kamen am 11. März 1941 die Personalakten vom OKM „mit bestem Dank“ (statt des eher üblichen Heil Hitler...) unkommentiert zurück.

1941 war Dr.-Ing. Kurt Heinrich 48 Jahre alt. Sein Verbleib und weiteres Schicksal sowie das der Familie sind bis heute unbekannt.

Verdienste weit über Mecklenburg hinaus

Dr.-Ing. Kurt Heinrich hat sich in den neun Jahren seiner Dienstzugehörigkeit bis zu seiner Entlassung Ende 1931 als Dozent äußerst verdienstvoll für die Abteilung Elektrotechnik engagiert. Bei den Studenten war er beliebt, er konnte begeistern und war auch handwerklich ein Fachmann. Seine Absolventen hatten über viele Jahre gute Vermittlungschancen, was Dokumente Berliner Großbetriebe wie Siemens belegen. Als wohl einer der ersten Dozenten in Wismar überhaupt betrieb Heinrich neben der Lehre noch angewandte Forschung (seine wiss. Veröffentlichungen) Dazu sind von Heinrich mindestens zwei Patente eingereicht worden. (mehr

Er engagierte sich bei der Einführung des Unterhaltungs-Rundfunk für die Wismarer Bürger, indem er einen Verein der Funkfreunde Wismar e.V. gründete und potenzielle Radiohörer qualifizierte. (mehr)

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Wenn in dieser Zeit Wismars Ingenieur-Akademie  über die Grenzen Mecklenburgs überhaupt Bedeutung erlangte, ist das der Verdienst von nicht viele Dozenten. Doch Dr.-Ing. Kurt Heinrich gehörte zu diesen wenigen Ausnahmen, was seine Aufnahme in die "Sächsischen Biografien" absolut rechtfertigt.


Originaldokumente im Zusammenhang mit Kurt Heinrich

(PDF in rot = Datei noch weiter in Bearbeitung) 

 

 

 

 

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